Hosea 1

Einleitung

Vorwort

Die sogenannten „kleinen Propheten“, von denen Hosea der Erste ist, gehören für die meisten Bibelleser nicht zu den Lieblingsbüchern der Bibel. Auch für mich haben sie lange Zeit den Platz eingenommen, den sie im Alten Testament in der Bibel haben: am Ende. Die Tatsache, dass sie sich am Ende des Alten Testamentes befinden, hat nichts mit ihrer Bedeutung im Verhältnis zu den ihnen vorausgehenden Büchern zu tun. Sie haben ihren Platz am Ende erhalten, weil sie historisch gesehen dorthin gehören. Sie beziehen sich hauptsächlich auf die letzten Ereignisse in und um Israel, bevor der Vorhang für dieses Volk fiel und auf die Zeit danach.

Die Tatsache, dass sie bei meinem Bibelstudium zu Schluss kamen, hat damit zu tun, dass ich nicht so recht wusste, wie ich sie lesen sollte und welchen Nutzen ich aus ihnen ziehen konnte. Als ich gebeten wurde, Vorträge über Hosea zu halten, musste ich nicht lange überlegen. Es gab mir die Gelegenheit, dieses Buch von dem Platz am Ende zu nehmen und es bei meinem Studium der Heiligen Schrift vornan zu stellen.

Was ich über Hosea entdeckt habe und was ich durch die Vorträge mitteilen konnte, habe ich in diesem Kommentar ausgearbeitet, um es mit dem Leser teilen zu können. Ich hoffe und bete, dass der Leser genauso viel Segen beim Studieren dieses Buches erhält wie ich. Möge die Auswirkung davon in unserem Leben unter der kraftvollen Wirkung des Geistes Gottes zur Ehre des Herrn Jesus sichtbar werden.

Ger de Koning

Middelburg, 1e niederländische Fassung Oktober 2001 / Endfassung deutsche Übersetzung November 2022

Die kleinen Propheten

Die zwölf Bibelbücher, die als „die kleinen Propheten“ bezeichnet werden, sind vielleicht die am wenigsten gelesenen Bibelbücher und damit auch die am wenigsten bekannten unter den Christen. Aber auch diese „kleinen Propheten“ gehören zu den inspirierten Schriften, von denen wir lesen: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in [der] Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt“ (2Tim 3:16; 17). Für die Propheten und damit auch für die „kleinen Propheten“ gilt folgendes Wort besonders: „Indem ihr dies zuerst wisst, dass keine Weissagung [der] Schrift von eigener Auslegung ist“ (2Pet 1:20). Das bedeutet, dass wir alle Propheten und alle Bibelbücher brauchen, um Schrift mit Schrift vergleichen zu können.

Sie werden wegen des kurzen Inhalts ihrer Schriften, wenn man sie mit Propheten wie Jesaja und Jeremia vergleicht, „die kleinen Propheten“ genannt. Diese Propheten können als „große Propheten“ bezeichnet werden, weil ihre Bücher viel umfangreicher sind. Aber für die Autorität, mit der ihre Worte bekleidet sind, macht das keinen Unterschied. Sowohl für das, was wir von Jesaja und Jeremia haben, als auch für das, was wir von Hosea, Joel, Amos, Obadja und den folgenden acht „kleinen“ Propheten in der Bibel haben, gilt, dass der Inhalt mit der gleichen göttlichen Autorität bekleidet ist. Deshalb ist es gut und notwendig, dass die Christen auch auf die Botschaft dieser zwölf „kleinen Propheten“ hören, die von einigen als Ganzes gesehen und dann als „Das Buch der Zwölf Propheten“ bezeichnet werden.

Es ist nicht klar, warum die zwölf kleinen Propheten so angeordnet sind, wie wir sie in der Bibel haben. Sie sind nicht chronologisch geordnet. Wir können jedoch eine globale Einteilung nach den Perioden vornehmen, in denen sie prophezeit haben. Die Propheten Hosea, Joel, Amos, Obadja, Jona, Micha und Nahum prophezeien in der Zeit des Assyrischen Weltreiches. Habakuk und Zephanja prophezeien in der Zeit des Aufstiegs Babylons als Weltmacht. Die dritte Periode ist die nach der babylonischen Gefangenschaft. In dieser Zeit prophezeien die Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi.

Hosea hat eine aktuelle Botschaft

Was Gott durch diese zwölf Propheten zu seinem irdischen Volk zu sagen hat, spricht mit ebenso deutlicher Sprache zu dem himmlischen Volk Gottes in der heutigen Zeit. Die Frage ist allerdings, ob wir noch geöffnete Ohren haben für das, was Gott uns zu sagen hat. Wir werden sehen, wie aktuell die Botschaft von Hosea für den heutigen Christen ist. Ein Christ ist jeder, der behauptet, ein Christ zu sein, jeder, der sich selbst zu Gottes Volk rechnet. So wie Hosea das irdische Volk Gottes seinerzeit direkt anspricht, können wir die Worte Hoseas in einem übertragenen Sinn auf uns wirken lassen. Wir werden die Antwort auf die Frage finden: Was ist seine Botschaft für das Volk Gottes in dieser Zeit?

Die Person Hosea

Bevor wir auf „das Wort des HERRN, das an Hosea, den Sohn Beeris, erging“ (Hos 1:1) hören, ist es gut, zuerst einige Dinge über seine Person zu sagen, über Hosea als Propheten und über die Situation, in der sich Israel während seiner Verkündigung befindet. Vor diesem Hintergrund werden viele seiner Aussprüche für uns deutlicher werden.

Der Name Hosea bedeutet „Erlöser“, „Befreier“. Dieser Name bringt sofort zum Ausdruck, was Gottes Absicht mit der Verkündigung dieses Propheten ist. Er will sein Volk von der Macht der Sünde befreien. Sein Name erinnert an den Namen „Jesus“. Zu Josef wird gesagt, dass er dem Sohn, den Maria zur Welt bringen wird, den Namen „Jesus“ geben muss, mit der Erklärung: „Denn er wird sein Volk erretten von ihren Sünden“ (Mt 1:21). Mit diesem Ziel ist der Herr Jesus auf die Erde gekommen. Wenn Gott jemanden sendet, zum Menschen im Allgemeinen oder zu seinem Volk im Besonderen, tut Er das immer mit Blick auf das Wohlergehen des Menschen und seines Volkes.

Was wir außerdem noch über Hosea wissen, ist, dass er der „Sohn Beeris“ ist (Hos 1:1). Der Name Beeri bedeutet „meine Quelle“. Sagt das nicht etwas über die Quelle aus, mit der Hosea verbunden ist? Er bezieht die Kraft für seinen Dienst nicht aus seiner eigenen Kraft, sondern aus Gott. Gott ist seine Quelle, von Ihm bekommt er das, was er braucht, um das zu tun, was ihm gesagt wird. Zudem wäre er mit weniger nie in der Lage gewesen, seinen Dienst zu verrichten. Darüber hinaus ist nicht viel über die Person Hoseas bekannt.

Ein Prophet weist auf die Sünde hin

Für einen Propheten ist es auch nicht so wichtig, wer er ist, sondern welche Botschaft er bringt. Seine Person muss sich gleichsam hinter seiner Botschaft verbergen. Propheten sind beim Volk im Allgemeinen nicht so sehr beliebt. Das liegt daran, dass sie normalerweise auf der Bildfläche erscheinen, wenn etwas mit dem Volk Gottes nicht in Ordnung ist. Darauf sprechen sie das Volk dann an. Leider zeigt sich, dass das Volk als Ganzes nicht offen ist für die Stimme und das Herz Gottes, wie es durch den Propheten zum Ausdruck gebracht wird.

Gott, der will, dass das Volk seine Sünde bekennt und zu Ihm zurückkehrt, wird abgelehnt. Das zeigt sich deutlich am Schicksal, das viele Propheten erlitten haben. Der Herr Jesus sagt in seiner Wehklage über Jerusalem: „Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt!“ (Mt 23:37).

Das Volk ist blind für die Tatsache, dass Gott in seiner Liebe Propheten zu ihnen schickt. Er tut dies, weil das Leben in der Sünde, mit dem Rücken zu Gott gekehrt, einen Menschen nie glücklich macht. Wenn das Volk Gottes sich durch Götzendienst und andere Sünden schuldig macht, sprechen die Propheten im Namen Gottes zu dem Herz und dem Gewissen des Volkes. Sie warnen vor dem kommenden Gericht, das Gott bringen muss.

Deshalb wird ein Prophet oft als Unruhestifter angesehen, als ein pessimistischer Schwarzseher, der Ärger verursacht. So nennt Ahab den Propheten Elia jemanden, „der Israel in Trübsal bringt“ (1Kön 18:17). Ahabs böses Verhalten hat Gottes Gericht über Israel gebracht, aber er gibt Elia die Schuld dafür. Wir neigen auch manchmal dazu, die Schuld für das Unglück, das uns trifft, auf andere abzuwälzen; vor allem auf diejenigen, die uns auf unser sündhaftes Verhalten hinweisen.

Ein Prophet weist auch auf Segen hin

Aber Propheten sprechen nicht nur über Gericht. Das Gericht ist in der Regel für die Masse des Volkes, die sich weigert, Buße zu tun. Die Propheten sprechen auch über Segen für jeden Einzelnen, der auf das Wort Gottes hört. Diese Verheißung von Segen ist eine Ermutigung für alle, die inmitten einer untreuen Masse Gott treu bleiben und nach seinem Willen leben wollen, den Er in seinem Wort kundtut.

Es gibt einen Unterschied zwischen einem Propheten wie Hosea und Propheten wie Elia und Elisa. Es gibt kein Buch von Elia und Elisa in der Bibel, von Hosea wohl. Die Weissagungen von Elia und Elisa beziehen sich auf die Situation ihrer Zeit und sie verkünden im Hinblick darauf Gericht und Segen. Ihre Prophezeiungen haben keine Erfüllung in ferner Zukunft. Sie haben nicht im Hinblick auf die Wiederherstellung Israels im Zusammenhang mit der Ankunft des Messias prophezeit. Bei den Propheten, von denen wir ein Buch in der Bibel haben, ist hingegen genau das der Fall.

Die „schreibenden“ Propheten weisen immer auf die Person Christi und die Errichtung seines Reiches hin. Dieses Königreich, das als Tausendjähriges Friedensreich bezeichnet wird, ist immer noch zukünftig. Bei Hosea werden wir mehrere Hinweise auf diese Zeit und dieses Reich finden.

Die Zeit, in der Hosea lebt

Die Zeit, in der Hosea lebt, ist keine Zeit der Armut und Hungersnot, sondern eine Zeit großen Wohlstands und Überflusses. Das macht seine Weissagung nicht einfacher. Versuchen wir mal über Gericht zu predigen, wenn es den Menschen gut geht. Wenn sie zudem noch in die Kirche gehen, bestätigt ihr Gefühl zusätzlich, dass sie doch noch sehr treue und gesegnete Menschen sind. Sie folgern: „Wenn wir böse und sündhaft leben würden, würde es uns bestimmt nicht so gut gehen.“

Zu der Zeit, als Hosea prophezeite, gab es keine Hinweise darauf, dass ein Gericht unmittelbar bevorsteht. Jerobeam II. – als Unterscheidung zu Jerobeam I., dem ersten König des Zehnstämmereichs nach der Teilung Israels in zwei und zehn Stämme (1Kön 12:20) – regiert von 793 bis 753 v. Chr. Gott hat Jerobeam an die Macht gebracht, weil Er Mitleid mit dem Elend hat, in dem sich das Volk zu seiner Zeit befindet (2Kön 14:25-27).

Bevor Jerobeam König wird, ist die Situation in Israel kritisch. Das Volk wird von den Syrern zur Zeit seines Großvaters Joahas (2Kön 13:7) an den Rand des Abgrundes gebracht. Es gibt nur noch einen schwachen Schimmer der früheren Macht und Herrlichkeit Israels. Unter Joas, dem Vater von Jerobeam, rappelt sich Israel wieder etwas auf (2Kön 13:25). Unter Jerobeam setzt sich diese Wiederherstellung fort und er bringt das Land zu großem Wohlstand.

Zeiten des Wohlstands

In dieser Blütezeit – man könnte es ein goldenes Zeitalter nennen – weissagt Hosea. Jerobeam befindet sich dann im zweiten Abschnitt seiner Regierung. Damals genossen die Menschen alle Annehmlichkeiten und das Vergnügen, das der Wohlstand mit sich bringt, ohne dass sie selbst dafür kämpfen mussten. Sie wissen nur aus Erzählungen, dass es Kämpfe und Niederlagen gab, Zeiten, in denen Israel unterdrückt wurde. Was sie selbst an Überfluss und Wohlstand genießen, ist ihnen in den Schoß gefallen.

Es ist eine bekannte Tatsache, dass Wohlstand sehr selten zu einem Verhalten führt, das Gott gefällt. Vielmehr besteht die Tendenz, Gott zu vergessen, vor allem, wenn man sich nicht um diesen Wohlstand bemühen musste. Dieses Phänomen wurde als „die Krankheit des dritten Geschlechts“ bezeichnet. Diese „Krankheit“ entsteht so: Die erste Generation erwirbt, die zweite Generation erbt, die dritte Generation verdirbt.

Die erste Generation hat sich bemüht, Wohlstand zu erlangen. Die zweite Generation hat diesen Wohlstand ohne großen Aufwand geerbt. Dieser Wohlstand wird immer noch geschätzt, denn diese Generation erkennt die Anstrengungen an, die es gekostet hat, und ist (meist) dankbar dafür. Die dritte Generation hat jedoch keinerlei Verbindung zum Erwerb von Wohlstand, und es bedeutet ihr auch nichts, sie schätzt nicht, was sie besitzt.

Segen erhalten oder darum kämpfen

Das kann buchstäblich auf die Zeit angewendet werden, in der wir leben. Ich schreibe dies zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Meine Eltern erlebten den Zweiten Weltkrieg mit (1939-1945). Nach dem Krieg mussten sie hart für den Wiederaufbau der Niederlande arbeiten. Das hat eine Menge Mühe gekostet. Ich hörte ihre Geschichten über Unterdrückung und Armut, aber ich nahm nicht daran teil. Ich bin kurz nach dem Krieg geboren und in der Zeit aufgewachsen, als es wieder genug zu kaufen gab und auch die Mittel zum Kauf vorhanden waren. Trotzdem musste man zuerst noch gut aufpassen. Man konnte nicht alles kaufen, was man gerne gehabt hätte.

Unsere Kinder, geboren in den 70er Jahren und später, sind jedoch in Reichtum und Wohlstand aufgewachsen. Sie sind zunehmend von Luxus umgeben und von Dingen, die das Leben angenehm und einfach machen. Es wird ihnen in den Schoß gelegt. Aber sieht die Welt jetzt besser aus? Sind die jungen Menschen von heute glücklicher? Gibt es ein Fragen nach Gott? Immer mehr junge Menschen sind in einer Gesellschaft gefangen, die nur so weit auf sie achtet, solange sie sich an diesen jungen Menschen bereichern kann.

Was im gesellschaftlichen Bereich gilt, kann auch auf den geistlichen Bereich angewandt werden. Es gibt Christen, die sich reich in ihrem Wissen über geistliche Segnungen fühlen. Sie haben viel über den Herrn Jesus gehört, es wird zu Hause in der Bibel gelesen, sie besuchen Gemeinden, wo über Ihn gesprochen wird. Und doch hat all dies keine Auswirkung auf ihr Leben. Im Gegenteil, es scheint, dass ihr Wissen um diese geistlichen Segnungen sie nachlässig und gleichgültig macht. Schließlich wissen sie immer, wie alles läuft. Aber eine wirkliche Beziehung zu Gott und ein Leben, in dem sich Dankbarkeit in Verbindung mit Gottesfurcht zeigt, gibt es nicht.

Trotz des äußeren Wohlstandes enthüllt Gott durch Hosea den wahren Zustand seines irdischen Volkes. Durch diesen Propheten will Er auch den wahren Zustand seines „geistlichen“ Volkes in der heutigen Zeit enthüllen.

Dauer der Predigt

Wie bereits gesagt wurde, ist die Aufgabe von Hosea nicht einfach. Er bekommt deutlichen Gegenwind. Zusammen mit Amos und Micha hat er den vollständigen Verfall Israels, der zehn Stämme, angeprangert und das Gericht über das ganze Volk angekündigt. Amos wurde während des ersten Teils der Herrschaft von Jerobeam II. von Gott als Prophet zu den zehn Stämmen gesandt. Er ist der Vorläufer von Hosea. Aber auf Amos wurde nicht gehört. Jetzt ist Hosea an der Reihe.

Die Tatsache, dass die Predigt von Amos kaum zu Ergebnissen geführt hat, macht die Aufgabe von Hosea auch nicht einfacher. Dennoch geht er mutig an die Arbeit und prophezeit gegen das Böse seiner Zeit. Durch Hosea sendet Gott eine der letzten Warnungen an sein Volk. Deshalb spricht Hosea so nachdrücklich die Schwere der Sünde des Volkes an und verkündet das Gericht, das ganz sicher kommen wird, wenn sie nicht gehorchen. Wenn das Volk nicht auf seinen Aufruf hört, wird es mit ihnen als Nation zu Ende sein.

Der Zeitraum des Auftretens von Hosea beträgt mehr als 50 Jahre. Die ganze Zeit über war er Zeuge des Widerstands Israels gegen Gott. Er liebt sein Volk und deshalb bricht ihm ihr Zustand das Herz. An der langen Zeit, in der Hosea prophezeit, sehen wir, wie langmütig Gott ist. Er gibt seinem Volk durch Hosea eine letzte Chance, zu Ihm umzukehren. Vielleicht hat Hosea die Wegführung der zehn Stämme unter der Regierung von Israels letztem König, seinem Namensvetter Hosea, noch erlebt. Diese Wegführung findet im Jahr 722 v. Chr. statt. Er war bis zuletzt damit beschäftigt, das Volk davor zu warnen.

Wie Hosea predigt

In den vierzehn Kapiteln seines Bibelbuchs ermahnt Hosea das Volk und warnt und bestraft es, weil es von dem HERRN abgewichen ist. Er spricht zu dem Volk in Beispielen und einer kraftvollen und deutlichen Sprache. Er tut das nicht von oben herab, sondern als jemand, der zu diesem Volk gehört. Seine Aussagen berühren ihn selbst, sie gehen durch ihn hindurch wie ein Schwert. Daher der Schmerz seines Herzens, der immer wieder durch seine Prophezeiung hindurch gehört werden kann, besonders in Hosea 4–10.

Sein Stil ist außergewöhnlich kraftvoll und voller abrupter Übergänge. Er geht von Drohungen zu Versprechungen über, von einem kurzen Segenswort zu einer Szene des Blutvergießens, von erwiesenen Gütigkeiten in der Vergangenheit zu zukünftigen Wehen, die plötzlich über Ephraim kommen werden. Er spricht so, weil das Gericht vor der Tür steht.

Er hat es eilig, alles zu sagen, was zur Reue des Volkes beitragen kann. Manchmal wechselt er sein Thema so schnell und abrupt, dass es in diesen Fällen besser ist, von Aussprüchen zu sprechen als von Reden. Neben dem Gericht zeigt er aber auch immer wieder, wie Gott schließlich in Gnade mit dem Volk handeln und sie eines Tages zu ihrer Bestimmung führen wird.

Das Gebiet, in dem Hosea prophezeit

Das Gebiet, in dem Hosea predigt, ist das Zehnstämmereich. Es scheint, dass er selbst auch zum Zehnstämmereich gehört, denn er spricht von „unserem König“ (Hos 7:5) und zeigt damit an, dass er mit dem Volk, das er anspricht, eins ist. Hosea spricht zu Israel und Ephraim. Ephraim ist der bedeutendste Stamm des Zehnstämmereiches. Er spielt die Hauptrolle in der Untreue des Volkes. Gelegentlich spricht Hosea auch über Juda (Hos 4:15; Hos 5:5), aber kaum zu Juda. Hosea spricht zu Israel (oder Ephraim). Die Namen Israel und Ephraim werden fast 80-mal erwähnt, die von Juda nur 15-mal.

Die Einteilung des Buches

Die Einteilung des Buches ist recht einfach. Es gibt drei Teile:

1. Hosea 1–3. Hierin finden wir, wie sich Israel verhält und was Gott deshalb mit diesem Volk tun muss. Wir finden hier aber auch die Ratschlüsse Gottes bezüglich Israels und seiner Wege mit ihnen, wie Er seinen Plan der Liebe und Güte mit ihnen erfüllen wird, trotz der Haltung des Volkes. Jedes dieser Kapitel endet deshalb auch mit dem Segen, den Gott für das Volk letztendlich hat.

2. Hosea 4–13. Hier finden wir die Ermahnungen, die der Prophet im Namen des HERRN an das Volk richtet.

3. Hosea 14. Hier hören wir den Aufruf des Propheten an das Volk, Buße zu tun und wie das Volk ihm letztendlich gehorchen wird. Diese Bekehrung wird in den letzten Tagen, das ist die Endzeit, stattfinden. Das Resultat der Buße wird beschrieben.

Was das Buch Hosea mit uns machen soll

Bevor wir auf „das Wort des HERRN, das an Hosea, den Sohn Beeris, erging“ (Hos 1:1) hören, noch eine weitere Anmerkung. Wir können großen Nutzen aus dem ziehen, was Gott uns durch den Dienst Hoseas zu sagen hat, wenn wir beim Studieren dieses Buches mit erfasst werden von der intensiven Angst und den starken Gefühlen, die das Herz dieses Mannes Gottes erfüllen aufgrund

1. der Liebe zu seinem Volk und

2. des Schmerzes, von dem er weiß, dass dieser Schmerz Gott selbst durch ihre Untreue zugefügt wird.

Wenn das Wort Gottes so durch uns hindurchdringen und von uns Besitz ergreifen kann, dann werden wir Gottes Gefühle teilen können über die Dinge um uns herum, in der Welt im Allgemeinen, und insbesondere über das, was in der Christenheit geschieht. Diese Haltung gibt dem Heiligen Geist reichlich Gelegenheit, sein prägendes Werk in uns zu vollbringen. Die Auswirkung davon wird in unserem Leben zum Segen für unsere Umgebung und vor allem zur Freude und Ehre Gottes sein.

Einleitung

Hosea bekommt von Gott den Auftrag, eine Frau zu heiraten, die ihm untreu sein wird. Dadurch lernt er Gottes Gefühle mit Blick auf Israel kennen, das Ihm gegenüber untreu geworden ist. Gott kann Israel nicht mehr als sein Volk anerkennen. Dies kommt in den Namen zum Ausdruck, die Hosea seinen Kindern geben muss:

1. „Jisreel“ (Hos 1:4) bedeutet „Gott zerstreut“,

2. „Lo-Ruchama“ (Hos 1:6) bedeutet „Nicht-Begnadigte“ und

3. „Lo-Ammi“ (Hos 1:9) bedeutet „Nicht-mein-Volk“.

Hosea 1 kann wie folgt unterteilt werden:

1. Einleitung (Hos 1:1).

2. Das Volk verlässt Gott und wird dafür gerichtet (Hos 1:2-5).

3. Gott bricht die Beziehungen zu seinem Volk ab und hört auf, sich ihrer anzunehmen (Hos 1:6-9).

Das Wort des HERRN ergeht an Hosea

Der Prophet bringt nicht sein eigenes Wort, sondern das des HERRN. Es steht nicht geschrieben „die Worte (Plural) des HERRN“, sondern „das Wort des HERRN“. Das zeigt, dass alle Worte Gottes eine innere Einheit bilden. Jedes einzelne Wort im „Wort des HERRN“ bildet mit allen anderen gesprochenen Worten ein vollkommenes Ganzes.

Die Zeit, in der dieses Wort zu Hosea kommt, wird hauptsächlich anhand der Könige von Juda angedeutet. Vom Zehnstämmereich, in dem er doch auch prophezeit, erwähnt er nur Jerobeam, wogegen er nach Jerobeam noch sechs Könige erlebte. Allgemein wird angenommen, dass er mit der Nennung der Könige von Juda anerkennt, dass die Könige der Familie Davids nach der Wahl Gottes Anspruch auf den Thron Israels haben. Gott hat David versprochen, dass seine Nachkommen fortwährend regieren werden (2Sam 7:12; 13). Die Könige Israels, das Zehnstämmereich, sind keine Nachkommen Davids und können daher auf diese Verheißung keinen Anspruch erheben.

Von dem Zehnstämmereich nennt Hosea nur Jerobeam, weil er der letzte König Israels ist, durch den Gott handelt und Hilfe gegen den Feind verschafft. Er wird durch den HERRN gebraucht, um sein Volk zu erlösen (2Kön 14:27). Nach Jerobeam gibt es nur noch Unordnung, Totschlag und Anarchie (Hos 8:4). Deshalb erwähnt Hosea keinen der sechs Nachfolger Jerobeams, nämlich Sekarja, Sallum, Menachem, Pekachja, Pekach und Hosea. Es ist, als ob er sich dafür schämt. Er würde ihnen durch das Nennen ihrer Namen auch zu viel Ehre geben.

Jerobeam ist die dritte Generation nach Jehu, um den es in Hos 1:4 geht. Jehu wurde versprochen, dass er bis zur vierten Generation jemanden auf dem Thron haben wird. Der Vierte wird Jerobeams Sohn Sekarja sein. Jerobeam regiert lange: einundvierzig Jahre (2Kön 14:23). Sein Sohn Sekarja regierte für sehr kurze Zeit, nur sechs Monate (2Kön 15:8). Nach der kurzen Herrschaft Sekarjas folgt ein König dem anderen in rasantem Tempo, oft durch Mord. Durch die lange Herrschaft von Jerobeam zeigt Gott, dass Er Geduld mit dem Haus Jehus hat.

Während des Dienstes des Propheten Hosea werden vier Könige ermordet. Diese Zeit ist von großer politischer Instabilität geprägt. Auch gibt es diverse politische Gruppierungen. Die eine Gruppierung sucht ihr Heil bei dem nördlichen Nachbarn Assyrien, die andere Gruppierung befürwortet ein Bündnis mit dem südlich gelegenen Ägypten. Doch wo sind die Menschen, die ihr Vertrauen auf Gott richten?

Heute wird in der Christenheit auch mehr von kirchlichen Allianzen, erwartet sowie von Vereinbarungen und Verträgen nach dem Vorbild der Weltpolitik, als von einer Rückkehr zum Herrn und seinem Wort. Und wie steht es mit dem Vertrauen auf Gott im persönlichen Leben der Christen? Ist es nicht oft so, dass wir uns statt auf die Hilfe Gottes mehr auf Versicherungen verlassen, die wir abgeschlossen haben, auf soziale Hilfen, die wir als erworbene Rechte betrachten oder auf einflussreiche Menschen, die ein gutes Wort für uns einlegen können? Nehmen wir uns einmal kritisch unter die Lupe. Wenn wir tatsächlich entdecken, dass wir uns mehr auf andere Menschen und sonstige Hilfen stützen als auf Gott, dann sollten wir das als Sünde vor Gott erkennen und mit seiner Hilfe einen Neuanfang machen.

Dass in Hos 1:1 Juda und Israel als getrennte Reiche erwähnt werden, erinnert uns an die traurige Trennung, die im Volk Gottes geschehen ist. Durch die Untreue Salomos musste Gott dieses Gericht bringen (1Kön 11:11; 1Kön 12:16-19).

Die große Zerrissenheit in der Christenheit ist auch das Ergebnis fortwährender Untreue der Christen. Sehr früh schon in der Geschichte der christlichen Kirche sind die Christen in Gruppen auseinandergefallen. Der Hauptgrund dafür liegt in der Entstehung einer speziellen Klasse von Gläubigen, die für sich in Anspruch nimmt, den „einfachen“ Gläubigen das Wort Gottes auslegen zu können. Dadurch hat diese Sonderklasse eine herrschende Position in der Kirche erhalten. Der Unterschied zwischen „Geistlichen“ und „Laien“ war geboren.

Es konnte nicht ausbleiben, dass auch unter denjenigen, die die herrschende Klasse, den Klerus, bildeten, Unterschiede auftraten. Infolgedessen zerfiel das Ganze in unterschiedliche Gruppierungen und Parteiungen. Paulus weist die Korinther auf dieses Übel hin, wenn er das Denken in verschiedenen Gruppen als „menschliches Denken und Handeln“ bezeichnet (vgl. 1Kor 1:11; 12; 1Kor 3:4). Die Ergebnisse dieser Zerrissenheit zeigen sich in der Christenheit bis heute um uns herum.

Gott hält den Weg offen, um nach seinen Gedanken als sein Volk zu leben. Wo immer man Demut über den Zustand unter dem Volk Gottes findet und wo man nach seinem Willen fragt, wird Er diesen Weg zeigen. Sein Wort ist es immer noch wert, dass man ihm ohne Abstriche gehorcht. Wer sich von diesem Wort unterweisen lässt, darf die Gedanken Gottes hinsichtlich seiner Gemeinde auf der Erde in die Tat umsetzen, auch wenn es in großer Schwachheit geschieht.

Gott will die Botschaft Hoseas auch heute noch benutzen, um Christen wachzurütteln, damit sie aufs Neue und ausschließlich auf Gott und sein Wort vertrauen. Paulus hat die Tage, in denen wir leben, in seiner Abschiedsrede an die Ältesten der Gemeinde in Ephesus sehr scharf gezeichnet. Er weist sie und uns auf die einzige Stütze hin, die für die Gemeinde gültig bleibt: „Und nun befehle ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade an, das vermag, aufzuerbauen und das Erbe zu geben unter allen Geheiligten“ (Apg 20:32).

Die Frau Hoseas

Die Art und Weise, wie der HERR durch Hosea zu sprechen beginnt, ist höchst merkwürdig. Die Sprache, die Er verwendet, deutet auf ein Ehe- und Familiendrama hin. Es ist, als ob Gott sagt: „Ich habe genug Worte gesprochen, jetzt werde ich auf eine andere Weise sprechen. Hoseas Ehe und Kinder werden eine symbolische Bedeutung haben. Wenn das Volk noch Ohren hat, um zu hören, werden sie darauf hören.“

Was soll Hosea tun? Er soll eine Frau heiraten, über die der HERR ihm sagt, dass sie ihm untreu sein wird. „Ein Hurenweib“ bedeutet eine Frau, die von Hurerei gekennzeichnet ist. Kinder, die aus dieser Ehe geboren werden, werden „Hurenkinder“ sein, das heißt, auch diese Kinder werden von Hurerei gekennzeichnet sein.

Dadurch wird Hosea besser verstehen können, was Gott bei der Untreue seines Volkes Israel fühlt. Die Tragödie dieser Ehe wird ihn erkennen lassen, was die Sünde des Volkes für das Herz Gottes bedeutet und welcher Schmerz es für die eigene Liebe ist. Ohne diese Erfahrung wären seine Prophezeiungen ganz anders gewesen.

Auch wir dürfen Gott durch unsere Erfahrungen kennenlernen, damit wir seine Gefühle unter bestimmten Umständen besser ausdrücken können. Das geschieht auf eine andere Weise, als wenn wir diese Erfahrung nicht gemacht hätten.

Dass die Ehe von Hosea ein Abbild der Beziehung Gottes zu seinem Volk sein soll und umgekehrt, wird deutlich in der Begründung, die Gott für den Auftrag dieser besonderen Ehe angibt: „Denn das Land treibt beständig Hurerei von dem HERRN weg.“ Gott hat eine Beziehung zu seinem Volk, wie Hosea sie mit seiner Frau haben wird. Seine Ehe sollte das Volk auch dazu bringen, ihre Untreue gegenüber dem HERRN zu erkennen. So ist Hosea durch die Umstände seines eigenen Lebens ein praktisches Beispiel dafür, was Gott sagen will.

Es gab viel zu tun wegen dieser Ehe. Einige denken, dass es keine echte Ehe war, sondern dass Hosea sie nur in einer Vision erlebt hat. Andere denken, dass diese Ehe bildlich gesehen werden muss, als eine Art Fabel. Aber es gibt keinen einzigen Grund, es nicht als eine wirklich geschlossene Ehe zu betrachten.

Gott weiß alle Dinge im Voraus. Wenn Er es für notwendig hält, kann Er zukünftige Ereignisse bekannt machen, die sich in dem Leben von jemandem abspielen werden. Zum Beispiel erzählt er Ananias, was Paulus für Ihn erleiden muss und was sein Dienst sein wird (Apg 9:15; 16).

Das Gleiche tut Er mit Hosea. Meines Erachtens spricht viel dafür anzunehmen, dass die Frau vor der Ehe mit Hosea noch keinen Ehebruch begangen hat. Schließlich muss sie die Haltung Israels gegenüber Gott darstellen. Als Gott sein Volk als seine Frau nahm, war Israel Ihm auch nicht sofort untreu. Er spricht von den Anfängen der Beziehung seines Volkes zu Ihm wie folgt: „Ich gedenke dir die Zuneigung deiner Jugend, die Liebe deines Brautstandes, dein Wandeln hinter mir her in der Wüste, im unbesäten Land“ (Jer 2:2).

Hosea ist nicht der einzige Prophet, der durch seine Ehe eine Botschaft an das Volk weitergibt. Wir finden dies noch bei drei anderen Propheten. Gott spricht zu Hesekiel, dass Er plötzlich seine Frau wegnehmen wird (Hes 24:16a). Die Frau Hesekiels ist die Lust seiner Augen. So ist Gottes Heiligtum und eigentlich das ganze Volk die Lust seiner Augen. In der Botschaft, die Gott damit verbindet, lesen wir, wie Er sein Heiligtum und sein Volk dem Schwert hingibt (Hes 24:17-27).

Bei dem Propheten Jesaja, der mit einer Prophetin verheiratet ist (Jes 8:3), liegt die Botschaft in den besonderen Namen, die er seinen beiden Kindern geben muss. Der HERR befiehlt ihm, dass er mit seinem Sohn „Schear-Jaschub“ zu Ahas gehen muss (Jes 7:3). Mit dem Namen Schear-Jaschub, was „der Überrest wird umkehren“ bedeutet, gibt Jesaja seine Botschaft an Ahas weiter. Dieser Name beinhaltet die Warnung, dass bei anhaltender Untreue das Volk als Ganzes in Gefangenschaft weggeführt wird und dass nur „der Überrest umkehren wird“. Den anderen Sohn musste er „Es eilt der Raub, bald kommt die Beute“ (Jes 8:1-3) nennen. Hierin liegt die Vorhersage, dass das Land bald dem Feind zum Opfer fallen wird.

Ein weiterer Prophet, bei dem es etwas Besonderes bezüglich der Ehe gibt, ist Jeremia. Er darf nicht heiraten. Jedem, der ihn fragt, warum er unverheiratet bleibt, muss er antworten, dass er keine Kinder zeugen will, weil sie sonst durch das Gericht, das Gott über Juda bringen muss (Jer 16:2-4), in die Hände des Feindes fallen würden.

Die Untreue, die von Hosea in der Illustration seiner Ehe angeprangert wird, ist keine Angelegenheit, die gelegentlich mal vorkommt. Es gibt nicht nur hier und da einen untreuen Israeliten, sondern das ganze Land „treibt beständig Hurerei“, was bedeutet, dass sich das Land der Hurerei völlig ergeben hat. Es ist zu einer nationalen Sünde geworden. Die Untreue des Volkes zeigt sich in den vielen Götzen, die sie besitzen und verehren. Gott nennt dies Hurerei. Dadurch hat sich das Volk vom HERRN abgewandt. Es hat sich von dem HERRN entfernt und folgt Ihm nicht mehr nach.

Die Untreue in der Christenheit wird von Gott auf die gleiche Weise bezeichnet: „[Ihr] Ehebrecherinnen, wisst ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott ist?“ (Jak 4:4a). Christen, die in ihrem Denken, ihrer Haltung und ihrem Benehmen die Welt als ihre Norm betrachten, begehen geistlichen Ehebruch.

Gott und sein Wort sollten die Norm für das Denken, die Einstellung und das Verhalten des Christen in Wort und Tat sein. Dass die Christenheit sich nach dem richtet, was in der Welt üblich ist, ist ein Gräuel in den Augen Gottes. Gott ist ein eifersüchtiger Gott. Er kann es nicht ertragen, dass diejenigen, die mit Ihm verbunden sind, ihre Liebe und Aufmerksamkeit dem widmen, was in Feindschaft mit Ihm lebt (vgl. 2Kor 11:2; 3).

Für den Christen liegt der Prüfstein für sein Leben am Kreuz des Herrn Jesus Christus. Das Kreuz ist der Ort, an dem der Christ sein Handeln prüfen muss. Indem sie Christus abgelehnt hat, hat die Welt ihren wahren Charakter gezeigt. Johannes schreibt deshalb in seinen ersten Brief: „Die ganze Welt liegt in dem Bösen“ (1Joh 5:19).

Wenn es dem Teufel gelingt, dieses Bewusstsein unter den Christen zu verwischen oder zu beseitigen, wird es zu einer immer stärkeren Annäherung an die Normen und Standards der Welt kommen. Dies gelingt ihm unter anderem, indem er das Kreuz in ein Ehrenzeichen verwandelt und damit seine Schmach beseitigt. Man kann es sich in „christlichen“ Ländern anstecken oder damit in einer Prozession durch die Straßen laufen. Die Menschen werden es würdigen, solange man dem Kreuz nicht die Bedeutung beimisst, die es in der Bibel hat. Es ist notwendig, dem Kreuz als dem Platz größter Schande und Schmach, den ersten Platz in unserem Leben zu geben. Es ist der Ort, an dem Gottes Gericht über die Sünde vollzogen wurde.

Gomer und Hoseas erster Sohn

Hosea tut, was Gott ihm befohlen hat. Es ist nicht deutlich erkennbar, ob er zuvor schon einmal als Prophet gewirkt hat und er dem Volk als Prophet bekannt ist. Es scheint nicht so zu sein, denn es wird von seiner Ehe gesagt, dass „der HERR anfing, mit [oder: durch] Hosea zu reden“ (Hos 1:2). Deshalb wird seine Ehe zunächst nichts Außergewöhnliches gewesen sein.

Das erste Kind, das geboren wird, scheint kein uneheliches Kind zu sein. Hier steht, dass sie „ihm“ einen Sohn gebar. Das lesen wir von den nächsten Kindern, die Gomer bekommt, nicht. Sie wurden demnach durch Ehebruch gezeugt. Da kam das Gerede auf. Hosea ist ein Mann mit genau den gleichen Gefühlen, die jeder Mann für seine Frau hat. Es gibt keinen Grund, warum er sie nicht geliebt hätte. Er ist mit ihr verheiratet, weil er sie liebt. Aber wird er nicht mit Angst auf den Moment gewartet haben, in dem sie ihm sagen wird, dass sie von einem anderen Mann schwanger ist?

Hoseas erstes Kind: Jisreel

Hoseas erstes Kind ist ein Sohn. Ihm wird die Aufgabe übertragen, ihn „Jisreel“ zu nennen. Das geschieht nicht ohne Grund. Die Bedeutung dieses Namens beinhaltet eine Botschaft. Was von den Kindern Jesajas gesagt wurde, kann auch von den Kindern Hoseas gesagt werden (Jes 8:18). Der Name Jisreel, in Verbindung mit dem Namen Jehu, bezieht sich auf die Stadt, in der Jehu das Haus Ahabs auslöschte. Er hatte den Befehl dazu von Gott erhalten (2Kön 9:7-10). Diese Geschichte wird hier von Gott als etwas in Erinnerung gerufen, für das Vergeltung stattfinden muss. Wie ist das zu verstehen?

Jehu handelte im Auftrag Gottes. Gott hat seine Zustimmung gegeben, nachdem Jehu seinen Befehl ausgeführt hat. Es ist sogar eine Belohnung damit verbunden (2Kön 10:30). Doch hier werden seine Taten abgelehnt und Gott spricht von einer Blutschuld, die am Haus Jehus heimgesucht wird. Und nicht nur das, denn mit dem Gericht über Jehu und sein Haus wird zudem das Gericht über das ganze Königtum ausgesprochen. Israel wird aufhören, ein unabhängiges Königreich zu sein. Was nach der Herrschaft von Jerobeam II. folgt, sind nur die Krämpfe eines todgeweihten Reichs.

Der Name „Jisreel“ spricht von dem Gericht, das Gott vollstrecken wird. Jisreel bedeutet „Gott wird zerstreuen“ oder „Gott wird säen“. Dieser Name, Jisreel, weist auf das bevorstehende Ende Israels hin. Das Volk wird wegen seiner Hurerei unter die Völker zerstreut werden.

Das muss für ihre Ohren hart geklungen haben, aber sie haben bestimmt auch darüber gelacht. Immerhin erleben sie eine Zeit des Wohlstands. Aber das Lachen wird ihnen vergangen sein, als im Jahre 722 v. Chr. die Assyrer Israel aus ihrem Land wegführten und, wie die Assyrer es gewohnt sind, die gefangenen Israeliten über mehrere Länder verstreuten. Damit beseitigte der Feind die Gefahr einer Neugruppierung. Somit wurde Israels Stärke gebrochen.

Doch nun bleibt die Frage, worin die Blutschuld Jehus besteht. Die Lösung für dieses Problem ist wahrscheinlich wie folgt: Obwohl Jehu Gottes Willen getan hat, sündigt er, indem er mehr Menschen tötet, als Gott gesagt hat. Denn er hat Ahasja, den König von Juda, und seine zweiundvierzig Brüder getötet, und dazu hat Gott ihm keinen Befehl gegeben (2Kön 9:27; 2Kön 10:14). In Gottes Regierungswegen erhält Jehu seine Anerkennung und Belohnung für das, was er getan hat. Aber Jehus verborgene Überlegungen bei der Erfüllung seines Auftrags sind nicht gerecht. Hier zeigt Gott, was Er wirklich denkt: Jehu hat sich als ehrgeizig und grausam erwiesen.

Nichts, was der Mensch selbst zum Werk Gottes beiträgt, ist vor Ihm verborgen. Was dem Menschen eigen ist, wird von Gott gerecht gerichtet werden, besonders dort, wo es unter seinem großen Namen „HERR“ geschieht. Jehu wird abgelehnt für das, was er mehr getan hat, als Gott ihm befohlen hatte.

Bemerkenswert ist auch, dass es etwa 80 Jahre her ist, dass Jehu diese Morde begangen hat. Aber Gott vergisst nichts. Auf die gleiche Weise kommt Gott viele Jahre später auf etwas zurück, das Saul getan hatte und für das noch keine Wiedergutmachung stattgefunden hat (2Sam 21:1). Bei Gott verjährt das Verbrechen nie. Irgendwann wird Er jeden mit Taten konfrontieren, für die keine Versöhnung geschehen ist. Es gibt nur einen Weg, der Vergeltung Gottes zu entgehen, und das ist ein aufrichtiges Bekenntnis der Sünde. Dann kann man sich auf das Werk berufen, das Jesus Christus am Kreuz von Golgatha vollbracht hat. Dort hat Er die Versöhnung mit dem heiligen und gerechten Gott für den bußfertigen Sünder hergestellt.

Israels Bogen zerbrochen

Ein Bogen ist ein Symbol der Stärke und eine wichtige Waffe in der Kriegsführung. Ein zerbrochener Bogen spricht vom Verlust dieser Kraft. Wie in Hos 1:7, wo es verschlüsselt von Juda gesagt wird, finden wir auch hier den Gedanken, dass sich Israel im Kampf auf seine eigene Kraft verlässt.

Das Tal von Jisreel ist eine Ebene, in der schon viele Kriege gekämpft wurden und in der bald die große Endschlacht stattfinden wird. Das Tal ist dann als Harmagedon bekannt (Off 16:13-16). Dort erscheint der Herr Jesus (Off 17:14) und vernichtet die feindlichen Armeen.

Hoseas zweites Kind: Lo-Ruchama

Vielleicht ist Hosea wegen seiner Arbeit als Prophet nicht oft zu Hause gewesen. Die Praxis zeigt, dass eine solche Situation einige Frauen dazu verleiten kann, ihr „Glück“ bei anderen Männern zu suchen. Untreue in der Ehe findet sich nicht nur in Fällen, in denen ein Mann von seinen zahlreichen gesellschaftlichen Aktivitäten völlig in Anspruch genommen wird. Auch in den Ehen vielbeschäftigter Führer in der Christenheit ist die eheliche Untreue leider keine unbekannte Sünde. Und sicherlich nicht nur von Seiten der Frauen.

Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Hosea nicht gut zu seiner Frau gewesen ist. Im Gegenteil, wenn seine Ehe symbolisch die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk repräsentieren soll, ist es sehr wahrscheinlich, dass er alles getan hat, um ihr zu beweisen, dass er sie sehr liebt. Trotzdem wird sie ihm untreu.

Viele Frauen haben im Verhalten ihres Mannes einen Grund gefunden, ihm untreu zu sein. Obwohl das Verhalten von Männern manchmal Anlass zur Kritik gibt, kann eine Frau darin niemals auch nur eine einzige Rechtfertigung für ihre Untreue finden. Sie wird daher ihre Tat der Untreue als Sünde bekennen müssen. Aber der Mann wird auch seine Sünden bekennen müssen, in denen seine Frau einen Anlass gefunden hat, ihm untreu zu werden. Auf diese Weise kann an der Wiederherstellung der zerbrochenen Beziehung gearbeitet werden.

Im umgekehrten Fall, der Untreue des Mannes, gilt natürlich das Gleiche. Häufiger gibt es dabei nicht einmal ein eindeutiges Fehlverhalten der Frau. Frauen, deren Ehemänner Ehebruch begehen, fühlen sich im Allgemeinen schuldig. Sie fragen sich verzweifelt, wie sie das hätten verhindern können. Aber oft ist es der Mann, der sich anderen Frauen gegenüber öffnet, auch wenn er eine gute Ehebeziehung zu seiner eigenen Frau hat.

Die Ursache dafür liegt in dem Begehren des Mannes, welches er nicht unter Kontrolle hat. Der Herr Jesus wendet sich nicht umsonst an den Mann, wenn Er sagt: „Ich aber sage euch: Jeder, der eine Frau ansieht, sie zu begehren, hat schon Ehebruch mit ihr begangen in seinem Herzen“ (Mt 5:28). Er weist in den folgenden Versen darauf hin, dass mit dem Begehren kurzer Prozess gemacht werden muss (Mt 5:29; 30).

Sei radikal. Drehe dich um, wenn du etwas siehst, das Begierde auslösen könnte. Weg mit der DVD, dem Buch, weg mit dem Müll, der Dinge enthält, die deine Gedanken verunreinigen. Lasse dich nicht dazu verleiten, pornografische Seiten im Internet zu besuchen. Alles, selbst die schlimmste Sünde, ist heutzutage buchstäblich zum Greifen nah: Mit einer einzigen Fingerbewegung, einem Druck auf die Taste, sieht man die Welt mit all ihrer Anziehungskraft und Verdorbenheit.

Wenn hierin eine Versuchung für den Leser besteht, dann beantworte diese Versuchung mit den Worten des Herrn Jesus: „Geh hinweg, Satan! Denn es steht geschrieben: ‚[Den] Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und ihm allein dienen‘“ (Mt 4:10).

Nach einem Sohn bekommt Hoseas Frau nun eine Tochter. Damit soll sicherlich angedeutet werden, dass Israel aus Söhnen und Töchtern besteht (vgl. Hos 2:3). Dieses Kind wurde von Gomer in einer außerehelichen Beziehung gezeugt. Gomer ist Hosea gegenüber untreu geworden. Was in Hos 1:3 steht, dass Gomer „ihm“, das ist Hosea, einen Sohn gebiert, steht nicht in diesem Vers. Dennoch wird das Kind Hosea zugeschrieben. Er bekommt die Verantwortung dafür. Der HERR gibt ihm den Auftrag, dem Kind den Namen „Lo-Ruchama“ zu geben, was „Nicht-Erbarmen“ bedeutet.

Die Leute müssen gehört haben, dass Hoseas Frau ihm untreu geworden ist und dass dieses Kind nicht von Hosea ist. Was werden sie darüber gesagt haben? Es ist so, wie es in unserer Zeit geschieht, wenn so etwas bekannt wird. Geschichten über Untreue füllen ganze Klatschmagazine; und wie wird das genossen. Diese Art von Zeitschriften ist recht populär, was nur beweist, dass die Leute gerne darin lesen. Aber die Leser sind blind für ihre eigene Untreue. Derjenige, der solche Geschichten gerne hört oder liest, ist moralisch abgestumpft und hat kein Gefühl für die Sündhaftigkeit, die in dem eigenen Herzen vorhanden ist. Über die Sünden anderer zu sprechen, ist einfach „köstlich“.

Das Gerede wird wie ein Lauffeuer durch die Stadt gegangen und dabei fortwährend ausgeschmückt worden sein. So geht es in der Regel mit der „Weiterverbreitung“ solcher Ereignisse. Aber Hosea kann darauf antworten und sagen: „Wie meine Frau ist, so seid ihr alle!“ Seine Predigten müssen die Gewissen berühren und sie in Gottes Licht stellen. Sie müssen sehen, dass sie genau die gleichen Dinge tun, die sie anderen vorwerfen (Röm 2:1), auch wenn diese Vorwürfe manchmal durchaus berechtigt sind.

Ebenso ergeht es den Pharisäern, die eine ehebrecherische Frau zum Herrn Jesus bringen (Joh 8:3-11). Sie wollen sehen, was Er mit diesem Vorfall machen wird. Sicherlich hat sie Ehebruch begangen, und die Beweise sind unumstößlich. Sie wurde auf frischer Tat ertappt. Wenn Er sie verurteilt, kann Er nicht der Retter sein. Dann ist Er nur ein Gesetzeshüter und das sind sie auch. Wenn Er sie freispricht, kann Er nicht von Gott kommen, denn dann wird Er Gottes Gesetz nicht gerecht. Was tut der Herr Jesus? Indem Er eine Frage stellt, macht Er deutlich, dass die Sünde, derer sie die Frau anklagen, in ihrem eigenen Herzen vorhanden ist: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie“ (Joh 8:7). Als Er dies gesagt hat, gehen sie weg. Sie ziehen ab „einer nach [dem] anderen …, anfangend von den Ältesten bis zu den Letzten“ (Joh 8:9).

Das müssen wir auch lernen. Wie schnell sprechen wir über die Sünden von anderen und vergessen dabei, wie wir selbst sind. Es geht nicht darum, die Sünde zu dulden, sondern sie zunächst einmal in uns selbst zu erkennen. Wie viele Christen sehen sich Nacht für Nacht schmutzige Programme an oder suchen bewusst nach Pornos im Internet, während sie leicht etwas über die Untreue anderer sagen.

Hosea hätte sagen können: „Es war der größte Fehler meines Lebens, diese Ehe einzugehen. Was für ein Elend habe ich über mich gebracht; was für eine Schmach für die Kinder.“ Er hätte auch Gott die Schuld geben können, genau wie Adam: „Die Frau, die du mir beigegeben hast“ (1Mo 3:12). Das tut er nicht. Wenn er diese Worte schreibt, ist es, als ob er zurückblickt und sagt: „So hat Gott mich geführt.“

Diese Sichtweise gibt ihm die Kraft, sie weiterhin zu lieben und nicht selbst untreu zu werden. Selbst wenn sie vor ihm wegläuft, bleibt er ihr treu. Sie kehrt sogar zu ihm zurück, wie wir in Hosea 3 sehen werden. Auf diese Weise erfährt Hosea auch die Treue Gottes zu seinem Volk. Auch wenn Er Israel wegen ihrer Untreue verleugnen muss, ist es nicht für immer. Es wird eine Zeit kommen, in der Er sein Volk wieder annehmen wird.

In diesen Zeiten, in denen so viel aus dem Gefühl heraus getan wird, ist es gut, auch auf diese Haltung Hoseas hinzuweisen. Manchmal hört man: „Wir trennen uns besser, denn ich fühle nichts mehr für sie“ oder: „Wir fühlen nichts mehr füreinander“. Als ob das Fehlen bestimmter Gefühle ein gültiger Grund für die Auflösung einer Ehe sein könnte. Wer denkt sich so etwas aus? Das kommt nur aus den Lügenmärchen des Satans.

Der Auftrag für Männer lautet: „Liebt eure Frauen, wie auch der Christus die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat“ (Eph 5:25). Ist das nicht deutlich? Kein Gerede mehr wie „Ich fühle nichts für“ oder „Du solltest mal in meinen Schuhen stecken“. Einfach dem Wort Gottes gehorsam sein. Darin liegt die Lösung aller Probleme.

Die einzige Kraft für die beste und die schwierigste Ehe liegt im Vorbild, das der Herr Jesus uns gibt. Er liebt die Gemeinde. Er liebte sie, als sie Ihm ganz am Anfang ihres Bestehens auf der Erde völlig ergeben war. Er liebt sie immer noch, auch wenn sie Ihm jetzt gegen Ende ihrer Anwesenheit auf der Erde so beschämend untreu geworden ist. Seine Liebe ist vollkommen zu erkennen am Kreuz auf Golgatha. Dort starb Er aus Liebe zu seiner Gemeinde, seiner himmlischen Braut, um sie ewig für sich selbst als Frau zu erwerben in Treue.

Als Hosea die Bemerkungen über seine untreue Frau hört, weist er auf den Namen hin, den er diesem Kind geben musste. Dieser Name ist vielsagend. Wieder einmal müssen es harte Worte für die Ohren seiner Landsleute gewesen sein und möglicherweise hat es sie wieder amüsiert. Aber Gott wird damit aufhören, ihnen seine Barmherzigkeit zu erweisen, einmal wird es zu spät sein. Wenn Gott seine Barmherzigkeit zurückzieht, ist das eine furchtbare Sache. Er muss Israel spüren lassen, welche Auswirkungen es hat, wenn Er sich nicht mehr erbarmt. Ein Kind, das kein Erbarmen erfährt, ist dazu verdammt, zu sterben oder ein Monster zu werden. Ein Mensch oder ein Volk kann ohne Erbarmen nicht auskommen. Für sein Volk damals und für sein Volk heute, die Gemeinde, ist die Barmherzigkeit Gottes die Grundlage oder Basis ihres Bestehens. Wenn Gott seine Erbarmungen nicht mehr erweist, dann steht der Untergang vor der Tür.

Für Gott ist es eine schreckliche Sache, dass Er sich so verhalten muss. David sagt über Ihn: „Wie ein Vater sich über die Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten“ (Ps 103:13). Und hat Israel ein solches Erbarmen nicht immer wieder erfahren? Noch wenige Jahre zuvor, zur Zeit der Herrschaft von Joas, dem Vater Jerobeams, erlebten sie es: „Aber der HERR erwies ihnen Gnade und erbarmte sich ihrer und wandte sich ihnen zu“ (2Kön 13:23). Und noch kurz vorher, unter der Herrschaft von Jerobeam, sah der HERR, „dass das Elend Israels sehr bitter war und dass dahin war der Gebundene und dahin der Freie, und dass kein Helfer da war für Israel“. Und dann lesen wir: „Und so rettete er sie“ (2Kön 14:26; 27).

Gott gibt sich als ein Gott zu erkennen, der sich über Menschen in Not erbarmt. So lernen wir Gott auch in der Geschichte Hiobs kennen: „Von dem Ausharren Hiobs habt ihr gehört, und das Ende [des] Herrn habt ihr gesehen, dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist“ (Jak 5:11).

Es gibt keinen größeren Ansporn, Gott zu lieben und Ihm zu dienen, als nachdem wir Barmherzigkeit erfahren haben. In Römer 12 werden die Christen als Menschen angesprochen, die Gottes Erbarmungen kennen. In Römer 1–8 werden diese Erbarmungen umfassend dargestellt. In Römer 9–11 werden sie in Bezug auf Israel gezeigt. Es ist daher nicht überraschend, dass Paulus unmittelbar daran anknüpft: „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer, [was] euer vernünftiger Dienst [ist]“ (Röm 12:1). Aufgrund all dessen, was Gott in Christus für uns getan hat, darf Er von uns erwarten, dass wir Ihm mit allem dienen, was wir sind und haben.

Es ist ein Beweis von großer Undankbarkeit, wenn wir auf Gottes Barmherzigkeit mit Untreue antworten, indem wir unseren eigenen Willen tun und unseren eigenen Begierden folgen. Wenn wir seine Erbarmungen konsequent negieren, wenn wir so tun, als ob sie nichts bedeuten oder sie überspielen, dann wird der Moment kommen, in dem Gott uns seine Erbarmungen nicht mehr spüren lassen kann. Mit der Wegführung nach Assyrien wird dieser Moment für Israel gekommen sein.

Das ist die Zeit, von der Er sagt, „dass ich ihnen irgendwie vergebe“, und diese Formulierung bedeutet, dass Er ihnen eben nicht mehr vergibt. Sein Erbarmen zeigt sich in der Tat am deutlichsten in der Vergebung, die Er schenkt. Wenn Gott nicht mehr vergibt, weil sein Volk keine Reue mehr zeigt, versinken die Menschen in ihren Sünden. Dann muss Er das endgültige Urteil fällen. Dies wird geschehen, wenn die zehn Stämme aus ihrem Land weggeführt werden. Das ist das Gericht, das das Volk erwartet.

Ein Wort über Juda

Wenn Gott so weit gehen muss, dass Er Israel seine Barmherzigkeit vorenthalten muss, dann verbindet Er damit eine Botschaft an Juda. Obwohl Hosea sich hauptsächlich an Israel, das Zehnstämmereich, wendet, sagt er auch gelegentlich etwas über Juda. Das bedeutet nicht, dass Israel dann nicht auch zuhören muss. Das Gesagte enthält auch eine Botschaft für sie.

Wenn wir Gottes Wort lesen, spricht Gott – wie auch der Herr Jesus in den Evangelien – zu einem ganzen Volk, einer Gruppe von Menschen oder nur zu einer Person. Wir wissen uns angesprochen, denn was für diejenigen gilt, die direkt angesprochen werden, gilt auch für uns. Wir müssen uns immer fragen, was die Botschaft, die zu dem anderen Menschen gesprochen wird, für uns bedeutet. Der Grund für das, was Gott oder der Herr Jesus feststellt, kann ein bestimmtes Verhalten sein. Wenn wir ein solches Verhalten in uns selbst erkennen, täten wir gut daran, aufmerksam auf das Wort Gottes zu hören.

Wenn Israel als Ganzes dem Gericht nicht mehr entgehen kann, könnte das Wort, das an Juda gerichtet wird, immer noch einen Ausweg für die Wenigen in Israel bedeuten, die sich unter Gottes Gericht beugen. Wer in Juda Zuflucht nimmt, kann immer noch auf die Barmherzigkeit Gottes zählen. Auch heute noch, wo das Gericht über die Christenheit als Ganzes unvermeidlich ist, gibt es einen solchen Fluchtweg. Dieser Fluchtweg ist die Trennung vom Bösen mit der Verheißung der Barmherzigkeit Gottes (2Kor 6:17; 18).

Für Juda ist dieses Wort eine große Ermutigung. Hier nennt sich der HERR „ihr Gott“. Er ist noch mit ihnen verbunden. Sie werden seine Barmherzigkeit in der Erlösung erfahren, die Er geben wird (2Kön 19:35). Gott hat dem König von Assyrien erlaubt, die zehn Stämme wegzuführen. In seiner Kühnheit will dieser König auch das Zweistämmereich erobern. Er hat sich Jerusalem genähert und es belagert. Aber Gott erlaubt ihm nicht, seine Stadt einzunehmen (2Kön 19:33-36).

Die Erlösung kommt nicht aus eigener Kraft und Anstrengung oder durch eine klug durchdachte Taktik. Es gab kein Gebrauch der Waffen Judas. Es ist eine Rettung, die eindeutig nur „durch den HERRN, ihren Gott“, zustande gekommen ist. Diese Rettung wurde durch das herbeigeführt, was Gott in sich selbst ist, „um meinetwillen“, und aufgrund dessen, was David ist, sein auserwählter Knecht, „um meines Knechtes David willen“ (2Kön 19:34). In David sehen wir ein Bild des Herrn Jesus, des wahren Knechtes Gottes.

Die Erlösung beruht, wie jede Erlösung, auf der reinen Gnade Gottes, die Er erweisen kann auf der Grundlage dessen, was der Herr Jesus aufgrund seines Werkes für Gottes Herz bedeutet.

Hoseas drittes Kind: Lo-Ammi

Lo-Ruchama ist gerade von der Mutter entwöhnt, da gerät Gomer wieder auf Abwege. Sie ist schnell in ihrer Untreue, deren Ergebnis sich auch schnell wieder zeigt. Wie tief muss Hosea über diese erneute Untreue betrübt sein. Wird er nicht gehofft haben, dass sie ihm nach ihrem ersten Ehebruch nun treu bleiben würde? Da sie gesehen haben muss, wie er sich um sie und die Kinder kümmert, hätte sie da nicht von seiner Liebe gewonnen werden müssen? Nein, sobald sie sich nicht mehr für das Kind, das sie geboren hat, verantwortlich fühlt, geht sie wieder den falschen Weg. Trotz all der Liebe, die Hosea ihr nach ihrer Rückkehr zu ihm bewiesen hat, wird sie von einem anderen Mann schwanger.

Aber selbst jetzt, als sie zum zweiten Mal zurückkommt, wieder schwanger von einem anderen Mann, lässt er sie wieder herein. Wieder nimmt er sie mit ihrem unehelichen Kind auf. Wiederum bekommt Hosea von dem HERRN den Auftrag, diesem Kind einen Namen zu geben. Auch in diesem Namen wird das Gericht Gottes über sein Volk ausgedrückt.

Wieder einmal wird es viel Klatsch und Tratsch über die Untreue von Gomer gegeben haben. Und wieder einmal nutzte Hosea die Gelegenheit, Gottes Gericht über das Volk wegen ihrer Untreue durch die Bedeutung des Namens des Kindes zu verkünden. Während im vorigen Namen nur davon die Rede ist, dass Gott seinem Volk seine Barmherzigkeit entzieht, wird in dem Namen, den er diesem dritten Kind geben soll, der endgültige Bruch zwischen Gott selbst und seinem Volk angedeutet. „Lo-Ammi“ bedeutet „nicht-Mein-Volk“. Die Verbindung zwischen Gott und seinem Volk wird damit abgebrochen.

Seine Verbindung mit Israel aufzugeben, ist ein noch härterer Schlag, als es nicht mehr zu lieben. Gott zieht sich zurück. Es gibt keine offene Anerkennung mehr, dass Israel sein Volk ist. Er wird mit ihnen handeln, wie im Buch Esther beschrieben. Der Name Gottes wird in diesem Buch nicht erwähnt. Doch hinter den Kulissen scheint Gott dafür zu sorgen, dass sein Volk nicht bis auf den letzten Mann ausgerottet wird. In seiner Vorsehung – das heißt nicht öffentlich, sondern auf verborgene Weise – ist Er bis heute für Israel tätig. Er wird dies bis zum Tag der Wiederherstellung Israels tun. Diese Wiederherstellung Israels in der Endzeit ist das Thema des folgenden Verses.

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